Montag, 11. April 2016










WELTMACHT SELBST

Reflexionen zum Neubeginn einer Menschen-Welt






J  MICHAEL HEYNEN









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Einführung

I             Geist und Wort

II            Innen und Außen

III           Selbst und Ich

IV           Mensch und Gesellschaftswelt

V            Gesellschaftsmacht und Weltordnung

VI           Transzendenz und Konkordanz

VII          Weltmacht Selbst

  Epilog



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Einführung


Es begab sich so: Repräsentanten geistiger und realer Macht kommen zusammen und reflektieren den Zustand des Planeten. Dabei denken sie die Welt vom Menschen aus. In kritischem Diskurs überwinden sie die zumeist gepflegten Gegensätze von Geist und Realität und verlassen damit zugleich die Immanenz bestehender Systeme, denn das ihnen sich bietende Gesamtbild lässt unausweichlich erkennen:

Die aktuell herrschenden, zumeist egogetriebenen Machtsysteme erodieren in zunehmendem und bis dato unbekanntem Ausmaß. Akzelerierende Polaritäten, existentielle Ängste, breites systemisches Versagen treiben die Paralyse voran; umgekehrt proportional zu den dadurch bewirkten systemischen Krisen und Konflikten ist die Führungskompetenz sogenannter Machteliten in gefahrvollem Regress: Die überkommenen wie überformten Herrschaftssysteme werden zunehmend ihren ursprünglichen Trägern, der Gesellschaft, „zurückgegeben“, dann entartet und entleert.

Basierend auf tatsächlichen wie strukturellen Gewaltmonopolen ohne hinreichende gesellschaftliche Legitimation und Transparenz, haben sich die dominierenden Regimes vom Menschen entkoppelt und im Inhumanen etabliert. Regieren ist nur noch Reagieren, ein Reagieren auf die jeweils geänderten Bedingungen krisenhafter Realität. Und die Mehrheit der Regierten hat sich bequem in diesem Staatspaternalismus eingerichtet, Wirkungen und Entwicklungen zumeist ignoriert und den schrittweisen Verlust ihrer Mündigkeit hingenommen.

Staatsversagen, Sinnentleerung und zivilisatorische Rückentwicklung belegen die finale und ultimative Eigenbegrenzung der bisherigen Systemimmanenz: eine egozentrierte Realität als sich zirkulär wiederholende Vergangenheit und eine Zukunft als suggestiv kompensierender Glaube aus egomanischen Projektionen. Heilslehren und „Welterlösung“ sind wesentlichste Ursachen der Krisen- und Fehlentwicklungen. Auch alternative Optionen und Entwürfe zumeist außengerichteter Weltveränderung haben sich in hohem Maße als unbrauchbar erwiesen.

Damit ist die Verantwortung für die Gewährleistung einer tatsächlich schöpfungsgerecht weiterführenden Entwicklung des Menschen verspielt und ad absurdum geführt. Die „empirische Versuchsreihe“ des regressiven Ichs ist beendet, das leichtsinnig betriebene „Experimentierfeld“ ist seit langem existenzgefährdend. Eine lange Zeitachse menschlicher Entwicklung ist offenbar am Ende angelangt, dem Ende einer Großepoche als katalytisch desillusionierendem Umbruch, der zugleich den Impuls des Neubeginns in sich trägt:

Das Zeitalter des Ich ist endgültig abzuschließen, und ein neues im Sinne eines Quantensprungs einzuleiten! Dieser Paradigmenwechsel ist als grundlegende Metamorphose zu begreifen und aktiv wie kreativ zu gestalten: aus den vollen Potentialen des Menschen für das Über-/ Leben des Menschen und der Natur. Wenn der Mensch dies will und also kann, dann ist zu fragen: Was sind Essenz und Weg für die grundlegende Neuordnung einer menschen-, lebens- und also naturgerechten Zivilität, für den Neubeginn einer Menschen-Welt?









I  Geist und Wort


Am Anfang ist nicht das Wort, am Anfang -  und vor allem in diesem Neubeginn -  ist Geist. Das Wort ist außen, Geist innen. Geist umfasst Spiritualität und Kognition, erzeugt Erkenntnis und inneres Wissen, bindet Intelligenz; das Wort macht Glauben, ist Ausdruck von Projektion und zielt auf äußere Wirkung. Geist aber ist immer Ursache, nie Wirkung. So ist Wirken aus Geist die Ursache des Neubeginns.

Geist ist Quelle von Bestimmung und Wille, getragen von Bewusstsein und Reflexion, umgesetzt von Wort und in Tat. Geist veredelt die Person und adelt zum Menschen. Geist ist Grund des Menschen, schafft den Sinn seiner Erdung. Geist ist zeitlos, also ewig und immer gegenwärtig. Geist ist universell, löst Gegensätze und verbindet, umfasst die Einzelerscheinungen des Seins und emanzipiert zugleich.

Des Menschen Geist ist frei, klärt, ordnet, öffnet zu allem, zum All-Einen, zur Einheit von universellem und Selbst-Bewusstsein. Geist ist die tragende Substanz des Menschen Selbst, dem einzig Absoluten, der maßgeblichen Referenz und unverzichtbaren Autorität des Individuums. So ist Geist oberste Instanz bewussten Mensch-Seins und erste Voraussetzung seiner Würde, seiner Humanität.









II  Innen und Außen


Was und wie immer der Mensch wahrnimmt, erkennt, erfährt, ob als Ursache oder Wirkung, es bezieht sich auf Innen oder Außen, seine innere und äußere Welt. Daraus können Gegensätze entstehen; jedenfalls ist wesentlich zu unterscheiden: Die innere Welt ist die der objektiven Bestimmung, des Absoluten, der autonom erzeugten Ursache; die äußere Welt ist die der subjektiven Bedingungen, des Relativen, der zu korrelierenden Wirkungen.

So verläuft geistgeführt selbstbestimmtes, damit freies Leben immer von innen nach außen, aus der inneren Verbundenheit in die äußere. Zugleich formen beide Welten die jeweils eine Lebenswelt des Menschen. Daher bedarf es zur Erfüllung humanen Lebens eines Kontinuums vibrierender Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Abstimmungsprozesse zwischen „Forum Internum“ und „Forum Externum“.

Der geistgeführte Mensch lebt und schöpft aus der Synergie beider Welten durch inspirierenden Ausgleich und schöpferische Harmonisierung. Die Verbindung zwischen Innen und Außen wird so als Equilibrium prozesshaft verstetigt und, einem Regelkreis vergleichbar immer wieder zur Balance strebend, weiterführend dynamisiert. Diese Dynamik – unter Maßgabe der inneren Welt - gewährleistet die fortlaufende, gegenseitig komplementäre Ergänzung beider Welten: zur Vergeistigung von Leben und Verlebendigung von Geist.

Das Equilibrium ist zentrales Medium der Transzendenz und fazilitiert adäquate Ursachen und Wirkungen hin zu einer sich immer weiter entfaltenden ‚coincidentia oppositorum‘.  Das Zusammenfallen, die Auflösung von Gegensätzen in vertikaler und horizontaler Koinzidenz prozessiert, verbindet und fusioniert die adäquaten Macht- und Funktionselemente, der es für die Entwicklung zum Mensch-Sein bedarf.

Koinzidenz wird – nach innen wie nach außen -  bewahrt und inspiriert durch verbindende, transzendierende Lebenswelten vor allem der Liebe, der Natur, der Freude, der Schönheit, der Harmonie, der Gnade und Güte, der Kontemplation, der Friedlichkeit. Hier findet der Mensch, was er in sich trägt – und gibt zugleich zurück; sein Leben wird Schöpfungsprozess und erfüllt sich essentiell.









III  Selbst und Ich


Selbst und Ich sind die beiden, die inneren und äußeren Welten des Individuums. Das Selbst erkennt und erlebt sich durch Geist und Bewusstsein universell, das Ich erfährt sich durch Sein in Raum und Zeit, also begrenzt. Das Ich ist existentiell, das Selbst ist heilig. Denn das Selbst wirkt in/aus der Sphäre des Absoluten, das Ich lebt in der Sphäre des Relativen. Das Ich verlebendigt Geist, das Selbst vergeistigt Leben.

Das Selbst gewährleistet Bestimmung, Führung, Klärung des Ich; das Ich verbindet das Selbst mit den Bedingungen der Realität. Das Selbst beschreibt Idee, Quellcode, Wesen und fasst den Willen, das Ich die daraus nach außen zu formende Identität. Das Selbst ist Zentrum, das Ich Peripherie. Das Selbst macht den Menschen, das Ich die Person. Die Person wird geboren, der Mensch wird initiiert.

Der Mensch, dann frei von der Person und für die Person, entsteht so durch das Bewusstsein seines Selbst, aus dessen Bestimmung und Führung durch Geist. Das Individuum wird zum Menschen durch die von Bewusstsein und innerem Wissen, durch Reflexion und Erkenntnis bestimmte Ordnung der Bedingungen seines Seins. Und durch die transzendierende (Rück-) Verbindung von Selbst und Ich, von inneren und äußeren Welten, emanzipiert sich das Individuum, wird transpersonal und so erst eigentlich frei.

Aus dem Selbst erzeugter Wille ist ebenso frei, denn die innere, transpersonale Essenz formt und steuert die Existenz des personalen Ich. Dessen Prozesse humaner Erdung und Materialisierung sind geführt durch das geistbestimmte Selbst: aus innerer Mitte in die innere und äußere Peripherie. Metaphysisches und Physisches verschmelzen zu geistgeprägter Einheit, der seiner Selbst würdige Mensch entsteht – nach innen wie nach außen, seiner Gesellschaftswelt. Das ist die Wirkmacht des Selbst.








IV  Mensch und Gesellschaftswelt


Der im Innern (rück-) verbundene Mensch ist – seinem Wesen und seinem freien Willen entsprechend – ebenso im Äußeren verbunden mit anderen Menschen sowie der Natur. Das vom Selbst geführte, bestimmte Ich kommuniziert, kooperiert, pflegt Beziehungen. Dies kann sich ästhetisch und zweckfrei erzeugen, dies kann auch gezielt der Umsetzung seiner Bestimmung dienen. Daraus können sich Vernetzungen, Gruppen, Gesellschaften konstituieren – jedenfalls koexistent gemäß innerer/äußerer Verbundenheit und Äquivalenz qualifiziert.

Was so aus freiem Willen als Absolutes entsteht, wird nach außen hin um den freien Willen des anderen relativiert. Denn Selbst und Wesen anderer Menschen sind immer auch Teil des eigenen reflektierenden und wahrnehmenden, denkenden und fühlenden Bewusstseins. Hierin liegt die Voraussetzung wahrhaftiger Humanität, die sich nicht in (inter-) personaler Gleichheit/Vergleichbarkeit von Individuen als bloßem Ego anderer Form und vielfältiger Variation erschöpft, sondern sich erfüllt durch innen und außen ganzheitlich wie authentisch gelebtes Mensch-Sein in Verbindung mit anderen Menschen sowie der Natur.

So erzeugen unterschiedlichste freie Willen nicht konkurrierende Meinungen, Wettbewerb, Polarität, sondern begründete Positionen, die in Prozessen substantieller Verständigung und Überzeugung lernend, inspirierend, optimierend abgewogen und komplementär transformativ verschränkt und gesellschaftlich fusioniert werden. Geist und inneres Wissen, Reflexion und Erkenntnis, offen kommuniziert und abgestimmt, führen dann zu authentisch erzeugter Übereinstimmung im Grundsätzlichen und zur Identifikation mit dem Ganzen einer sich formenden Menschengesellschaft. Auch Minderheiten werden nicht mehr durch die Mehrheit eines Kollektivs oder ein kollektives Über-Ich dominiert: Der jeweilige grundlegende Einzelwille wird transpersonal-individuell entschieden, ganzheitlich korreliert und ko-kreiert so vor allem eine gesellschaftliche Dynamik weiterführender Entwicklung: von Menschen für Menschen!

Im Neubeginn liegt folglich die höchste Anforderung und Leistung in der transpersonalisierenden gesellschaftlichen Transformation, geschöpft aus Geist, für und aus des Menschen Selbst. Daher spiegelt sich das Mensch-Werden und -Sein, seine Entwicklung zum transpersonalen Individuum in äußeren, gesellschaftlichen Prozessen als ganzheitlich identifizierbare Verantwortung und adäquate Verantwortlichkeit. Die behauptete Menschenwürde ist dann so weniger Form und Abwehrrecht, sondern proaktive, substantielle Zuordnung und gesellschaftlich gestaltende Kraft des Menschen: mit anderen, mit dem Du des anderen Selbst, grundsätzlich also mit allen für alle!
  
‚Alle‘ sind als Menschen zu identifizierende Individuen, die am gesellschaftlichen Willensbildungsprozess transpersonal geführt teilhaben und so Entscheidungen substantiell legitimieren. Das jeweils freie Selbst formt die ihm würdigen Prozesse gesellschaftlicher Emanzipation und Transzendenz und kann sich, solange dies notwendig erscheint, zur Umsetzung von Willensbildungen in einem Staat inkorporieren und dafür koordinierendes Regieren abgeleiteter Machtfunktionen einrichten.

An die Träger diesen Mandats zur koordinierenden Umsetzung gesellschaftlichen Willens werden besondere Anforderungen gestellt, da sie – über jede Art personaler Ego-Begrenzung erhaben, also aus innerer und äußerer Verbundenheit agieren müssen: aus ‚kategorischem Imperativ‘ geist-geführt, reflektiert, transparent und offen, integer, dynamisch inspirierend und überzeugend, für gelebte Menschenwürde angemessen entwickelnd referenziell.

Innere Führung spiegelt sich dann konsequent in der äußeren. Diese Art wirklich prinzipalischer Führung dient der Menschen-Gesellschaft, ihrem Willen und ihrer Weiterentwicklung, zugleich auch den Anteilen der Gesellschaft, die sich je nach Art und Geschwindigkeit ihrer Entwicklung noch in der Schrittbildung hin zu notwendiger transpersonaler Individualität befinden.

Transpersonal geschöpfte und legitimierte Macht ist Dienstleistung von Menschen für Menschen, den Entwicklungspotentialen ihrer Würde entsprechend, human verfasst, vermittelt und gelebt. Diese Macht als koordinierende Herrschaftsfunktion basiert auf geistgeführten, qualitativen Partizipations- und Legitimationsprozessen: Das Selbst-Regime für die Entstehung, Entscheidung, Durchsetzung gesellschaftlichen Willens als ständig transformierende Prozessdynamik und unbedingte Voraussetzung menschengerechten, kompetenten Regierens.

Je nach gesellschaftlichem Entwicklungsstand im Sinne freiheitlicher Ordnung aus transpersonaler Individualität kommen hierfür Governance-Modelle infrage, die klassisch in Monarchien, Synkratien, direkten/repräsentativen Demokratien oder in Mischformen institutionalisiert werden können. Hierüber haben dann nach Stillstand und Übergang zum Neubeginn die jeweilige Zivilgesellschaft und/oder die daraus verbundenen Systeme, gemessen an ihrer Entwicklung, konstitutiv zu entscheiden, soweit Selbst-Regimes dann noch einer Staatlichkeit und Regierungsmacht als koordinierender Monopolgewalt bedürfen.








V  Gesellschaftsmacht und Weltordnung


Mit dem Neubeginn werden sich transpersonal geführte Gesellschaften zu zentralen Akteuren eines sich formenden und konstituierenden Systems zwischen-gesellschaftlicher, interregionaler wie globaler Beziehungen von Menschen entwickeln. Die Suprematie liegt dann bei den sich formenden Gesellschaftswelten gemäß ihren legitimen Willensbildungs- und Machtdynamiken sowie daraus erzeugter Verbundenheit, also nicht mehr bei der traditionellen Staatenwelt des internationalen Systems. Dieses Relikt menschenfern entarteter, global sich paralysierender/paralysierter Ego-Systeme insbesondere religiöser, monetärer wie militärisch-industrieller Interessendominanzen ist damit Geschichte.

Denn eine jeweils sich transpersonal-individuell steuernde und interagierende Gesellschaftswelt strebt weniger nach Gewaltfreiheit und Verteilungsgerechtigkeit, sondern lebt dies als Konsequenz ihres Bewusstseins, ihres Denkens und Fühlens. Insbesondere auch hier gilt: von Menschen für Menschen, von innen nach außen, äußeren durch inneren Frieden!

Proaktive Friedensgestaltung, präventive Konflikthegung und –bewältigung, rein human verfasster wie gelebter Austausch und Ausgleich bestimmen die essentiellen Grundbedingungen jedenfalls friedlicher Koexistenz und freier kreativer Kooperationsbeziehungen. Dabei bildet die menschlich-kulturelle Vielfalt und die Unterschiedlichkeit jeweiliger Entwicklungsgeschwindigkeiten das unverzichtbar dynamisierende Potential transpersonal verbundener, komplementär verschränkter, qualifizierender Lern- und Schöpfungsprozesse.

Der daraus sich gestaltende Strukturwandel der Interaktionsräume einer sich substantiell frei wie friedlich entwickelnden Weltordnung basiert auf Internalisierung, nicht mehr auf Internationalisierung egozentrischer Interessenprojektionen und scheingeistiger Mission aus ideologischen oder/und theologischen Messianismen der „Welterlösung“. Das internationale System als egozentrierte, letztlich anarchische Macht-Welt wird abgelöst von der Gesellschaftswelt aus ganzheitlicher Verbundenheit des sich als individuelles Selbst komplementär ergänzend und somit universell begreifenden Menschen.

Dieser systemische Paradigmenwechsel gründet also in der Verschränkung von Transzendierung im Inneren und Internalisierung im Äußeren als entscheidenden Koordinaten des Neubeginns. Vor allem für die Phase der Ablösung und des Übergangs, wenn das Selbst Herrschaft und Governance übernimmt und eine dynamisch transformierende Gesellschaftswelt formt, gilt die zeitlose Erkenntnis (Napoleon, Memoiren): „Es gibt nur zwei entscheidende Mächte in der Welt: den Säbel und den Geist! Am Ende aber gewinnt immer der Geist!“








VI  Transzendenz und Konkordanz


Dem universellen Gesetz von Ursache und Wirkung gemäß gilt: Eine Zukunft ist nicht ohne Gegenwart und wird also daraus gezeugt. Wie Geist: Gegenwart ist Ursache. Gegenwart entscheidet über die Zukunft, sie ist das Apriori jeder Entwicklung. Und eine Gegenwart als weiterführende Entwicklung ist damit zugleich transformierend.

Als die heutige Gegenwart noch Zukunft war, hat das Ich eine verabsolutierende, eine zugleich entäußernde Herrschaft übernommen. Empirisch erfahrbare Kausalität und technische Machbarkeit begannen, ohne Maß und Mitte das Leben – Mensch und Natur – zu dominieren. Anscheinend unumkehrbar verfiel das entkoppelte und sich so überschätzende Ich seinen egomanischen Ersatz- und auch kollektiven Allmachts-projektionen, jedenfalls der Fixierung auf das Äußere, und verharrte wie blind in der Dualität des Materiellen gefangen.

Die Unterordnung unter das Regime des Materiellen hat technisch-ökonomische Leistungen und praktische Funktionseliten hervorgebracht, damit aber freilich nur die äußeren Bedingungen des Existentiellen gefördert. Diese systematische wie systemische Externalisierung und technisch rational geprägte Illusionierung des Menschen hat ihn vom Inneren, von seiner Bestimmung ablösen und sich seines Selbst entfremden lassen, dann im Äußeren fixiert, usurpiert und absorbiert – analog zu den herrschenden theistischen Systemen.

Um ein solches, letztlich nihilistisches „Leben“ und daraus erzeugte Leere vor allem symbiotisch zu nutzen, haben Glaubenssysteme, Heilsversprechen und Prophezeiungen eine jedenfalls „bessere Zukunft“ projiziert, eine Zukunft, die nie beginnen konnte und durfte, weil die Gegenwart nicht aus der Bestimmung und Sinnstiftung des Menschen Selbst geformt, sondern aus egozentrisch machtanmaßender Ignoranz, Fiktion und Illusionierung „beherrscht“ wurde. Dies offenbart sich im absehbaren, endgültigen Versagen von Ideologien, Religionen, Sekten sowie analogen, kompensierenden Wohlstandssystemen, schließlich im Ausbleiben eines „Messias“, einer Apokalypse, einer Rückkehr ins Paradies.

Das Scheitern egomanischer Machtprojektionen und die außenzentrierte binäre Immanenz-Logik scheinheilig wie zugleich materiell fixierter und konditionierter Ich-Systeme hinterlässt eine hochgradige Deformation des Menschen und seiner Entwicklung, eine entleerte, personale Hülle, die weitgehend von der Natur – als direktem Ausdruck universeller Gesetzmäßigkeit – gespiegelt wird:  Während der Mensch die Bedingungen des Existentiellen zu beherrschen glaubte, hat er diese ruiniert und darüber rauschhaft sein Selbst-Bewusstsein, seine Mitte verloren. Eine solche Gegenwart kann keine Zukunft zeugen, die dem Menschen – und insbesondere der Natur – gerecht wird.

Wenn der transzendierende Mensch eine der Natur wie seinem Selbst adäquate Gegenwart gestalten will, wird er seinen höchsten Potentialen gemäß und seiner humanen Bestimmung folgend je individuell die volle Verantwortung übernehmen und angemessene Konsequenzen ziehen müssen: Nur aus der gesamthaften Essenz des bewussten Mensch-Seins und seiner kreativen Substanz ist die Herrschaft zu weiterführender Entwicklung zu begreifen und wohl noch rechtzeitig zu etablieren.

Die zentrale Herausforderung im Hier und Jetzt ist also, den Menschen mit Realität und Geist, mit Gegenwart und Ewigkeit, mit seinem Selbst und der Natur wieder in Einklang und Einheit zu bringen und dazu zu inspirieren. Solche Prozesse der Konkordanz beginnen ursächlich immer innen und setzen sich im Äußeren fort.

Äußere Konkordanz zu erzeugen und daraus zu verstetigen, dafür bedingen systemische Krisen und Konflikte die zu fazilitierende Gelegenheit, mit der Auflösung im Ubergang zugleich Transformationsprozesse zu koppeln und bewusst steuernd zu beschleunigen. Diese zentrale wie notwendende Ursache zu setzen, ist die Voraussetzung dynamisch weiterführender Entwicklung zum/im Neubeginn:  individuelle wie gesellschaftliche Konkordanz in Verfahren, Funktion und Substanz durch Koordination, Kooperation, Synergie.

Dieser Transformationsprozess als Neuordnung auch der konstruktiven Leistungen der Ich-Welt und ihrer Folgen offenbart sich ausschließlich aus einer Gegenwart als Übergang, der ausschlaggebend wie unausweichlich im Inneren beginnt: die Transzendenz! Indem sich der Mensch auf seine wohl wesentlichste und bedeutendste Kapazität, die Transzendenz, rückbesinnt, gewinnt er seine innere Bestimmung und Führung zurück, um, dann rückverbunden mit den Funktionen des Ich, die äußeren Bedingungen neu zu ordnen und menschen- wie naturgerecht zu beherrschen. Transzendenz ist so die unausweichliche Voraussetzung für eine gelingende Transformation angemessener Lebenswelten – für Mensch und Natur.

Mit der Notwendigkeit des Primats der Transzendenz ist eine weitere unmittelbar verbunden: die Apriorität! - Als Napoleon seine Erkenntnis „am Ende gewinnt immer der Geist“ der Nachwelt hinterließ, verfasste er dies auf dem Sterbebett, also im Angesicht des Jenseits. Auf diese Weise vermittelte er eine weitere, mindestens ebenso wesentliche Einsicht: Frühzeitig vor dem Handeln im und für das Diesseits sind Geist und Erkenntnis als Ursache zu setzen. Die Bedeutung von Apriorität historisch gewendet: Das Lernen und Begreifen von Ashoka als wahrhaftig großer historischer Persönlichkeit schon zweitausend Jahre vor Napoleon hätte die Entwicklung Europas und weiterer Teile der Welt wesentlich konstruktiver beeinflusst.

Die Zukunft der Gesellschaftswelten kann also nur gezeugt werden aus der klaren wie wahrhaftigen Vergegenwärtigung und Selbst-Beherrschung des ganzheitlichen Wesens Mensch: ein Neubeginn des rückverbundenen Ich aus dem Selbst, innen transzendierend, außen internalisierend und von innen nach außen transformierend, eben für und aus dem konkordanten Mensch-Sein als kreativem Leben und konstruktive Erfüllung, aus Selbst-Bewusstsein, aus Geist!










VII  Weltmacht Selbst


Wenn am Ende Geist „gewinnt“, ist es nicht das Ende der Welt, sondern endgültig der Anfang der realen Menschen-Welt. Die Stille im Zeitpunkt des Übergangs zum Neubeginn ist der Initiationspunkt transzendenter Rückverbindung nach innen und oben, dem Absoluten des individuellen Selbst, der Rückkehr in den inneren Tempel, der Re-Kreation und Begründung des Menschen im und aus dem Selbst, dem ursächlichen Quellcode seines Wesens, seines Bewusstseins und also Seins.

Wenn am Ende Geist „gewinnt“, löst sich die Dominanz der Ego-Welt auf. Das Ich wird aus seinen Fixierungen und Fiktionen im Äußeren befreit, vor allem „dem Säbel“ ist dann endgültig kein Menschenleben mehr zu opfern. Auch ins „Göttliche“ projizierte apokalyptische „Reinigungsprozesse“ in der äußeren Welt helfen nicht mehr und laufen leer. Dieses Ende wird zum Anfang transformiert, sobald sich das Individuum als Mensch mit Menschen aus dem Selbst, aus Geist regiert.

Und wenn am Ende Geist „gewinnt“ und den Neubeginn formt, hat das Individuum, der Mensch, die Gegenwart als entscheidende Voraussetzung seiner Zukunft nachhaltig gewonnen. Denn Geist kann letztlich nicht kämpfen und gewinnen: Geist ist Ursache, zeitlose wie universelle Omnipotenz und -präsenz, eben allumfassende, referenzielle Bestimmung human gelebter, konkordanter Menschen-Welt.

Dem Primat des Geistes gemäß erzeugte innere Führung und Selbst-Regierung von Individuen und Gesellschaftswelten verlebendigen gegenwärtiges, wahrhaftiges Mensch-Sein: Das Paradies ist dann endlich nicht mehr nach außen zu projizieren oder dort zu suchen, zu finden ist es ausschließlich im sich so erfüllenden Menschen selbst, wenn er dies endgültig will! Denn dafür sind seine Potentiale ungebrochen und unbegrenzt: für den Quantensprung ins Selbst!

Da also am Anfang Geist ist und Geist zugleich höchste Macht, übernimmt im Neubeginn die reale Weltmacht Selbst! Denn der Mensch – wohl weniger Schöpfer, aber zwingend Bewahrer der physischen Welt – ist aus Bestimmung und Potentialen seines Selbst vor allem prädestiniert und privilegiert, sensibler und weiser Schöpfer einer Menschen-Welt zu sein. Damit sich Mensch-Sein universell erfüllt, dafür hat er real nur eine Welt und eine Macht: die Weltmacht Selbst!










E P I L O G




In einer Rede anlässlich seines Staatsbesuchs in Italien vor knapp dreißig Jahren sagte Michail Gorbatschow: „Der Ausweg liegt in der Vergeistigung des Lebens, im Umdenken hinsichtlich der Haltung des Menschen der Natur, den Mitmenschen, ja sich selbst gegenüber. Eine Revolution des Bewusstseins tut not …“




I

Die Übernahme der Herrschaft durch die Weltmacht Selbst beschreibt keinen automatischen Prozess, auch wenn die weiterführende Evolution den natürlichen Potentialen des Menschen entspricht. Denn dieser Quantensprung in die transpersonale Individualität war wesentlich früher einzuleiten. Zuletzt etwa in der Zeit der sogenannten Aufklärung war das Wesentlichste dazu gesetzt; offensichtlich hat die industrielle Revolution den daraus anstehenden Wandel überlagert und schließlich verzögert. Über diese technisch-ökonomische Entwicklung hat sich die Menschenentwicklung weitgehend im Materiellen und also Äußeren zukunftsgefährdend entleert, entseelt, „sich Selbst“ verloren.

Als Folge damit analog einhergehender gesamtsystemischer Fremdbestimmung statt Selbst-Bestimmung sind auch demokratische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse zur komfortablen Projektionsfläche egoistisch geprägter Machtsurrogate und egomanisch entarteter Kompensation von realer Freiheit verkommen; daraus zumeist bürokratisch überformte Staatlichkeit hat den Gesellschaftsvertrag annulliert.

Mit dieser totalen Utilitarisierung des Menschen ist erwiesen, dass aus derartiger Immanenz bestehender Systeme keinerlei Transformationsprozesse angestoßen, frei gewollt entschieden und umgesetzt werden. Im Gegenteil: Zersetzung, Fragmentierung, Auflösung als Folge dieser immanenten Systembegrenzung sind zusätzlicher gegenwärtiger Anlass und notwendender Grund legitimer Szenarienbildung, um endgültig die Entfaltung des Menschen aus seinem Selbst zu gewährleisten. Der Zeitpunkt des Eintritts in den Übergang – über die  Krisenbewältigung hinaus – ist der Initiationspunkt des Neubeginns.



  
II

Diese Initiation ist nur von Menschen zu leisten, die die Eindimensionalität bestehender Systemimmanenz analysiert und begriffen haben, zugleich als transpersonale Individuen entwickelt sind und aus der vollen Verantwortlichkeit des Menschen Selbst agieren: als Mensch frei, als Prinzipal referenziell – koordinierend, inspirierend, den Raum für die weiterführende Entwicklung des Menschen schöpfend und schützend.

Wahrscheinlich sind diese Menschen eine aus dem Selbst legitimierte, von Humanität geprägte Minderheit und als solche eine mit systemischen Funktionseliten nicht zu verwechselnde Elite. Diesen Menschen ist die Initiation zur eigentlichen Menschenentwicklung zuzutrauen und anzuvertrauen. Denn vor allem agieren sie nicht gegen die im Übergang noch bestehende Systemimmanenz – auch zur Wahrung konstruktiver Leistungen -, sondern initiieren die Systemauflösung soweit wie notwendig internalisierend und inkludierend, um die Stagnation aus finaler Eigenbegrenzung zu wenden und zugleich hin zur Transformation zu öffnen.




III

Diese Internalisierung und Inklusion kann nur aus einer Metaebene, also „von außen, von oben“ jenseits der Systemimmanenz gelingen, um sich dann im Inneren mit entwicklungsoffenen Individuen, Regionen, Gesellschaften zu verbinden und kooperativ eine zu koordinierende Herrschaft zu etablieren. Denn der den Neubeginn, die Transformation einleitende Übergang nimmt – analog zum Prozess des sich transpersonal entwickelnden Individuums - eine systemische Transzendenz vorweg: Was zuerst von außen / von oben beginnt, um die Immanenz des Ego-Systems neuordnend zu internalisieren und die Steuerung durch die transformierende Herrschaft des Selbst zu etablieren, wird dann als ganzheitlich Inneres fusioniert.

Analog zur Selbst-Führung des transpersonalen Individuums ist eine übergangsweise und das Ego-System umspannende und inkludierende Metaebene als Herrschaftssystematik zu etablieren. Um in der Metamorphose eine effiziente Funktion dieses „Kokon“ zu gewährleisten, dafür erscheint das Herrschaftsmodell der Synkratie insbesondere in der Initiationsphase besonders geeignet. Denn es geht dann nicht mehr um fragmentierende Meinungsbildung, sondern um substantielle, homogene wie realitätsnahe Willensbildungs-, Entscheidungs- und Lösungsprozesse aus transpersonaler Kompetenz. Aus der synkratischen Verbundenheit und Vernetzung mit den jeweiligen gesellschaftlichen Repräsentanten werden transpersonal geformte Entscheidungen erarbeitet und umgesetzt: von Menschen für Menschen!




IV

Da in der Initiationsphase mit der kurzfristig angelegten Krisentransformation zugleich eine langfristig ausgerichtete metasystemische Entwicklung einzuleiten ist, können trotz Inklusion und Integration der bisherigen konstruktiven Systemfunktionen die damit verbundenen destruktiven und versagenden Elemente eine Art „revanchistischen“ Widerstand erzeugen. Wesentliche Gründe dafür liegen vor allem in der nachlaufenden Dynamik alter Handlungsmechanismen der Staatenwelt - Anpassung oder Anarchie - sowie den Auswirkungen global wirksamen Politik- und Staatsversagens. Dazu kommt, dass die Träger bisheriger Ego-Systemik weder über die hinreichende Einsicht noch Veranlagung verfügen, um die Verantwortung für die Folgen ihres Handelns und die Konsequenzen aus entgangenen Entwicklungschancen zu übernehmen.

Ein solcher Widerstand ist absehbar, zugleich metasystemisch auf Dauer unbeachtlich, denn „am Ende gewinnt immer der Geist“. Dennoch bedarf es aber im Einzelfall wie strukturell einer mit allen gebotenen Mitteln vorgetragenen legitimen, ultimativen Beantwortung, um die Funktionen und Räume schöpferischer transpersonaler und metasystemischer Entwicklung – das adäquate Forum Externum als Ausdruck des Forum Internum - endgültig voll umfänglich wie nachhaltig zu gewährleisten.




V

Um für einen Neubeginn der Menschenwelt die Weltmacht Selbst zu initiieren, dafür erscheint aufgrund seiner inneren und äußeren historischen Entwicklung insbesondere Europa, spezieller: West-/ Mitteleuropa prädestiniert und privilegiert zu sein. Europa war erheblicher „Herzschrittmacher“ der Weltentwicklung – im Guten wie auch im Schlechten.

Dabei sind vor allem auch die weltweit nachlaufend wirksamen Deformationen egomanischer/ eurozentrischer Projektionen und Interventionen zu sehen, die als umgekehrt proportionale Initiationsenergie des paradigmatischen Wandels offensiv zu nutzen sind. Mit hoher Priorität sind daher zuerst die krisenhaften wie destruktiven Entwicklungen europäischer Systemfunktionen – Regress in Gesellschaft und Zivilität, anarchische Verwerfungen und Fragmentierungen, finale Krisenverläufe und überformte, zugleich versagende Staatlichkeit -  transformativ zu wenden.




VI

Die durch den Beginn der Selbst-Konkordanz und insbesondere durch Apriorität legitimierte Einführung und Etablierung einer „Europäischen Synkratie“ bietet über Krisenbewältigung hinaus die notwendigen Voraussetzungen, eine Friedens- und Ordnungsmacht als nachhaltig transzendent-transformative Gesellschaftswelt zu entwickeln und zu institutionalisieren.

Sobald diese Umsetzung eingeleitet ist, ist es im Sinne komplementärer Ergänzung sich entwickelnder Gesellschaftsbeziehungen folgerichtig anzustreben, im Äußeren aus der Verbindung/Verbundenheit mit anderen Gesellschaftswelten eine ebenso universal angelegte, global ausgerichtete metasystemische Menschen-Welt zu inspirieren und ko-kreieren. Dabei hat im Übergang das jeweils koordinierende Regieren bei der formellen Interaktion von Gesellschaftswelten systemisch auch je nach Entwicklungsgrad zwischen Innen und Außen noch zu unterscheiden. In der Selbstwahrnehmung einer sich dann weiterentwickelnden Menschenwelt werden derartige Mechanismen entfallen.

Denn diese transpersonale / transsystemische Verbundenheit der Gesellschaftswelten dynamisiert und qualifiziert die substantiellen Entwicklungschancen einer realen Menschen-Welt auch als Weltgesellschaft. Der Gesellschaftsvertrag, als „contrat social“ begonnen, ist dann universell neu zu verfassen: als ‚contrat social human‘ bzw. ‚contrat de l'humanité‘. Eine daraus geprägte Weltordnung als freiheitliche Konkordanzordnung, aus den Selbst-Regimes konstituiert und koordinierend regiert, ist die sich real erfüllende universale Weltmacht Selbst.





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For further reading:


WORLD POWER SELF’ as a philosophical-political concept is the foundation

of the systemic-structural as well as innovative, human- / society-centric framework

of  M E T A P O L I T Y  as a conceptional contribution to the world formula of governing:










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©  J MICHAEL HEYNEN |  06.04.2016                                                                                                                  
     




J Michael Heynen, Executive Director
International Relations Counseling
Institute for Intersocietal Diplomacy

Heynen.IRC@gmail.com







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