Freitag, 2. Mai 2025

Zu einer neuen europäischen Nachkriegsordnung als Beitrag zur zivilisatorischen Transition

 


von J Michael Heynen




Zukunft rechtzeitig zu antezipieren, Determination aus freiem inneren Willen zu entwickeln, die europäische Vision normativer Ordnung in integrative, souveräne Regierungsmacht zu transformieren, das hat Europa, die EU, nicht geleistet. National-bourgeoise Selbstgefälligkeit wurde lediglich quantitativ summarisch in intergovernmentaler Koordinierung repräsentiert, Wohlstandsmehrung von innen und Krisendruck von außen trieben zum kleinsten gemeinsamen Nenner minimalistischer Kohäsion. Und dabei ging expansive Dazugehörigkeit vor Rechtsstaatlichkeit. Inzwischen ist sogar die eingestellte Gewaltfreiheit, mit dem Friedensnobelpreis kreditiert, in unmittelbarer Gefahr, denn das „Europäische Haus“ ist in die existentielle Konsequenz seines Unterbaus gedrängt; „Wille und Vorstellung“ aus europäischem Geist sind endgültig vaporisiert, die Akteure operieren konzeptions- und wahrnehmungslos.


Das ist nicht der Vorspann zu einer Grabrede auf Europa, sondern im Gegenteil: die abstrakte Fassung von Ursache und Wirkung versagenden europäischen Regierens spätestens seit 2000. Es ist die Formulierung von Erkenntnis und Konsequenz: Während der europäische Geist 1950 noch Schlagbäume niederriss, geht es heute wieder um kleinmütige Territorialinteressen, denen Menschenleben geopfert werden; politische Macht ist nicht kluge Gestaltung, sondern rohe Gewalt. Und es bestätigt sich die Erkenntnis von Alvin Toffler: „Wer keine eigene Strategie hat, ist Teil der Strategie anderer!“ Wie vor 30 Jahren Jugoslavien, so führt heute der Ukrainekrieg direkt vor, was es ist und wie es funktioniert: systematisches europäisches Politikversagen!


Wenn Europa fortgesetzt nur als fremdbestimmtes Verwaltungsgebiet und als bloße Marktmacht begriffen wird, wird es politisch weiter marginalisiert und die Klarheit aus humanistischer Vernunfttradition endgültig ganz verspielt. Die vegetative Existenz wird sich dann wohl auch bald in einem Vegetieren auflösen, menschlicher Geist und freier Wille werden dann transhumanistischen Algorithmen geopfert. Und eine Welt ohne Europa ist dann nicht nur eine Welt ohne eine reale freiheitlich-demokratische Grundordnung, sondern eine Welt ohne das entscheidende, das humanistische Potential auch global möglicher Zivilität. Denn Europa, die EU, wurde im Grundsätzlichen aus der Vernunft seiner reichen Seele geformt, aus Überzeugung gemäß individueller Geistführung, nicht aus Gewalt und messianistischer Welterlösung. Das gilt insbesondere im Vergleich zu den sich als Weltmacht gerierenden Großmächten, die sich fortgesetzt in missionarisch-egomanischer Projektion als konkurrierende Treiber einer „neuen Weltordnung“ versuchen – eine latente Gefahr für die gesamte Zivilisation.


Wann endlich begreift sich Europa – sich um seiner Selbst willen und für diese Welt? Ist lebensgefährdender, erbärmlicher Kleinmut nicht endlich zu überwinden? Braucht es noch mehr Versagen und Menschenopfer? Kann nicht endlich ein „Europäisches Haus“ entstehen aus der tiefen Kraft seiner inneren Mitte und zivilisatorisch-humanistischen Hochentwicklung? - Dieser Planet ist ein Raum des freien Willens, und Europa war einer möglichen Erfüllung am nächsten. Die Chance der endgültigen, nachhaltig selbstbestimmten Erfüllung erscheint dennoch wiederholt gegeben: im Rahmen einer neuen europäischen Nachkriegsordnung, angestoßen durch ukrainische Opfer und destruktive russische Politikführung. Zusammen (!) ist die europäische normative Ordnung proaktiv zukunftsfest zu entwickeln und innovativ wie transformativ auszugestalten.



©  J Michael Heynen - Gründungspräsident des Senate of Cultures





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