Reflexion von J Michael Heynen
I „State“ of the Art?
Die Welt könnte im „ewigen Frieden“ leben, wenn der innere Friede des individuellen Selbst eine real bestimmende Grüße wäre. Ideen und noumenale Normativität sind in hoch-zivilisatorischer Weise entwickelt und sind jedenfalls formal gültig. Regionale Friedensphasen sind erlebbar – eine Blaupause für das Grosse, das Ganze? Was ist das „missing link“ zwischen einer Weltordnung des Friedens, der prinzipiellen Universalität des „ewigen Friedens“, und dem daraus abgeleiteten Unterbau zur Verlebendigung tatsächlicher Friedlichkeit?
Die wahre „Staatskunst“ einer Regimebildung universellen Friedens ist nicht erkennbar, obwohl die Staatenwelt ihre Verantwortung dafür reklamiert. Im Gegenteil: Die Ordnung der Staaten tendiert zur Auflösung, zur Vertiefung von Divergenz und egozentrischer „Machtvollkommenheit“ neo-imperialistischer Prägung.
Das internationale System der Staatenwelt und seine Friedensfähigkeit beschreibt im wesentlichen ein systematisches Staatsversagen. Der innere Zustand wird in der Außenpolitik reflektiert: Legitimationsfreie Machtpolitik bedingt Menschen abgewandtes Regieren bzw Verwalten und folglich formal stabilisierende Interessen- und Geopolitiken klassisch imperialistischer Prägung. Kluge, weitsichtige wie real legitimierte Politik sind eher seltene Ausnahmen, nicht mal die Fähigkeit zur Konfliktlösung ist identifizierbar. Selbst ein nur abstrakter „guter Wille“ ist undenkbar. Staatsgewalt in ihren heutigen Erscheinungen bewegt sich weiter zunehmend im Gegensatz zur Denkgesetzlichkeit jedenfalls der Vernunft. Staatskunst erscheint irreversibel vorbei. Was bleibt? - Der Mensch in Transition …
II Metanoia in Gesellschaften
Das Leben des Menschen ist vor allem Wählen und Verantworten. Dies gilt umso mehr, als die physische Schöpfungsgesetzlichkeit erfüllt ist, Sein und Haben begriffen sind. Der Sinn des Lebens erfüllt sich freilich nicht im Unterbau der Existenz, sondern aus der Denkgesetzlichkeit des Überbaus. Mit dem Erreichen des Anthropozän kann endgültig als gesichert gelten, dass der Mensch eine Weiterentwicklung, seine zentral wesentliche Emanzipation nicht weiter aufschieben kann, sondern sich mit der Gesetzlichkeit der Gesamtevolution wieder zurück verbindet. Diese Konversion bzw Transition, der Übergang ins Noozän, hat schließlich schon längst begonnen, dennoch der „kopernikanische“ Schritt in die Zukunft gestaltende Vrwandlung hat einen zentralen Einstiegspunkt: die Metanoia.
Auch unabhängig von Staatensystem und Staatenwelten, ihren formalen Souveränitäten und Monopolen: Das Umdenken, die eigene Ermächtigung zur Selbstbestimmung steht lange an und ist jetzt in die Erfüllung zu bringen. Aus dem individuellen Selbst und seiner Rückverbindung ist Leben zu vergeistigen und Geist zu verlebendigen. Das Bewußtsein bestimmt das Sein, innere Führung steuert die äußeren Bedingungen der Existenz. Denken und Fühlen schöpfen Sinn und Qualität des Lebens sowie die zukünftige Entwicklung. Und Wahrnehmung und Empfindung, Imagination und Phantasie, Kontemplation und Glaube / Mystik, Sensibilisierung und sinnlich-aesthetische Selbsterfahrung und -erkenntnis sowie Meditation und Reflexion, kognitive und Erkenntnisprozesse im inneren Raum des Menschen sichern die Grundlage der Interaktion in den äußeren Räumen, vor allem als Resonanzräumen.
In daraus erzeugter Freiheit und Bindung des Selbst wird die Verantwortung im gesellschaftlichen Raum erzeugt. In offener Wahrnehmung und Kommunikation sowie in ständiger Equilibrierung werden Ideen und Willen synergetisch verschränkt und erhöht. Der „kategorische Imperativ“ ist jeweils konsequent zu fazilitieren, Staaten und ihr Regieren – soweit noch erforderlich – sind dann reine Koordinierungsinstanz gesellschaftlichen Willens. Der dafür fällige Einstieg, die dazu erforderliche individuell-gesellschaftliche Metanoia ist also dringend einzuleiten: Krisenkonversion ist hier vor allem zugleich eine Art Reset in die evolutionäre Entwicklung nach langen Blockaden.
III Evolution und Emanzipation: Homo Genesis
Wie oben erwähnt, die physische Evolution eben des Homo Sapiens ist im wesentlichen abgeschlossen; und damit ist die existentielle Seinsorientierung und Lebensphilosophie bisheriger Prägung erreicht und finalisiert. Mit der kopernikanischen Wende vergleichbar – und doch von wesentlicherer Bedeutung – steht jetzt der Homo Genesis im Mittelpunkt weiterer Evolutionsentwicklung des Menschen.
„… Dieser Mensch, der Homo Genesis, ist kein Übermensch, also Humanoid oder Transhuman, umso mehr aber transpersonal, ein humanes Wesen, ein Kulturmensch. Denn er emanzipiert sich aus der äußeren Egozentrik hin zur Zentralität seines je führenden, abgeleiteten Selbst. Denkende, reflektierende, meditierende, kontemplierende und fühlende Kapazitäten bestimmen seine innere Führung und die radial treibende Kraft seines Seins. Diese ist nicht mehr ego-kompetitiv, sondern Konsequenz innerer unbegrenzter Universalität und Totalität, dann im äußeren equilibriert als gesellschaftliche Kapazität. Mit dieser ins Unendliche geöffneten Schubumkehr verbindet sich das Bewusstsein des Menschen mit der Noosphäre als ewigem Resonanzraum kreativer Individualität und zugleich kosmisch-normativer Universalität. Nach (zu) lange spät-pubertierender Entwicklung tritt die Evolution des Menschen ein in ihre eigentliche Determination, die bedingte Realität aus der bestimmenden Noumenalität zu gestalten und zu beherrschen. Im Selbst des Homo Sapiens ruhen die Gründe und Potentiale der Aktivierung des humanen Menschen, denn der Homo Genesis ist schon länger präsent in ihm und bedarf seiner überfälligen emanzipativen Metamorphose.
Der Homo Genesis ist kein neuer Mensch, aber ein transformierender Mensch: Das Sein wird aus dem Bewusstsein, also von innen nach außen gelebt. In dieser aktuellen Transitionsentwicklung kommt es zugleich zentral darauf an, dass sich nicht nur das Individuum als Homo Genesis begreift und erfährt, sondern dass sich daraus zunehmend ein verstetigendes kollektives Bewusstsein als Kulturmensch konstituiert. Im Übergang wird dieser Prozess eher als Eliten bzw. Minderheiten basiert erscheinen, da insbesondere jede Art von Über-Ich-Generierung der Masse und ihrer „demokratisch“ quantitativen Verfahren durch Verstand, universelle Denkgesetzlichkeit und also geistige Legitimation auszuschließen ist (Überwiindung eines klassischen Phänomens vergehender Ego-Welten und ihrer kompensierenden Ersatzprojektionen). ...“
Quelle: https://weltmacht-selbst.blogspot.com/2025/03/homo-genesis.html
IV Bewusstsein und Noumenalität
Individuell-gesellschaftliche Führung wird noch im ersten Schritt der Metanoia unerlässliche Introspektion / Introversion erfahren und einstellen: eben innere Führung aus dem Bewusstsein, aus innen nach außen, aus Geist in die Verlebendigung des äußeren Raums. Das Selbst bestimmt sich zuerst selbst und stimuliert / fazilitiert dann die zu equilibrierenden Bedingungen des Seins. Nach der Metanoia konstituieren sich dann die Gesellschaften aus individuellen Trägern offenen, kreativen Geistes in gegenseitig lernendem, synergetischem und transformativem Diskurs.
Dementsprechend werden auch inner- und zwischengesellschaftliche Konflikte als konsequente Lösungs- und Optimierungschancen begriffen. Die Zeit divergenten Austrags konkurrierender, egozentrischer Machtsurrogate und Missbrauch abgeleiteter Staatlichkeit ist dann vorbei und nur noch historisches Lehrstück verirrter Machtsysteme (verabsolutierter Unterbau). Vor allem das oberste Gebot gesellschaftlicher Gerechtigkeits- und Wahrheitsfindungsprozsse wird endlich einer realen Substanz zugeführt.
V Weltordnung – Transition und Zukunft des Menschen
Im Prozess der Weltgeschichte wurde mehrheitlich nicht nur die umfassende Führung der Aristokratie abgelöst, sondern aus den Freiheitsbewegungen der moderne Staat entwickelt. Nur der freiheitlich-demokratische Verfassungsstaat hat eine zeitweise Nähe zu diesen Idealen entwickeln können. Auch hier wurde der Rechtsstaat jedenfalls westlicher Prägung ausgehöhlt, politisch-ideologisches, oligopolistisches Regieren nutzt weitgehend nur noch die historische Form. Der Staat wurde zum Artefakt, zur paternalistischen Projektionsfläche freien Willens. Eine reale Legitimation von Regieren ist vaporisiert.
In Konsequenz zu dieser Diskonnektierung von Menschn und Repräsentanz – nach westfälischem Frieden, Wilson, UN, Erreichen hohen Normativitätniveaus internationalen Rechts – konnte das internationale Systeme lediglich kürzere Phasen tendenzieller Friedensordnung beschreiben. Eine Weltordnung in refenzierender Legitimation von Machtprozessen aus dem Willen des „freien Bürgers“ existiert nicht. Spätestens seit 9/11 sind zumeist geopolitische Interessen „Leitkultur“ des Rechts, also das Recht des vermeintlich Stärkeren. Transhumanistisch-technologisch-militärischer Overkill visualisiert die apokalyptische Dramaturgie der Selbstfinalisierung humaner Zivilisation. Kluge Politik und Diplomatie humanistischer Provenienz sind zumeist ausgehebelt, allein aus Inkonsequenz in der Verfolgung kollektiver Prinzipien sowie aufgrund der Inkompetenz des führenden Regierungspersonals.
Zugleich sind Anteile der öffentlichen Wahrnehmung identifizierbar, sich in einer globalen Transition zu begreifen: Der aktuell erzeugte Weltzustand und die Menschenwelt resonieren nur marginal. Weitgehend entfremdete, versklavende Systeme der „Objektivität“ und Überregulierung lösen selbst dringende Probleme nicht mehr, soweit diese noch erkannt sind. So wächst eine erkennbare Bereitschaft, sich dem anstehenden Metanoia-Prozess zu stellen.
Diesen Metanoia-Prozess, die Konversion in den Paradigmenwechsel – Priorität des Bewusstseins und innerer Führung – zu eröffnen, das hängt wohl ausschließlich von gesellschaftlich führenden Individuen ab, die die dem realen wie notwendigen Elitebegriff tatsächlicher Exzellenz im Sinne einer Zukunftstauglichkeit entsprechen. Individuum, Organisation, Gesellschaft – in diesem Dreischritt kann ein Wechsel gelingen, viral expandieren und Blockaden des Egozentrismus und seiner Komfortzonen auflösen.
Der aktuelle individuelle-gesellschaftliche Mensch trägt es in sich, diesen Metanoia-Punkt und prozess aus dem rückverbundenen Selbst präzise zu identifizieren und zu bestimmen. Selbstbewusstsein und Verantwortung, Kreativität und Phantasie sind dabei die zentralen Elemente der Wechseldynamik, zugleich Mittel der Krisenlösung, Transition und Transformation. Die darin vor allem auch begründete Verfahrens und Verteilungsgerechtigkeit als führendem Weltprinzip sowie die erneuerte, vertrauensgestützte Synergiefähigkeit sind zugleich die Kathalyse in zwischen-/ gesellschaftlicher Equilibration und noumenal-normativer Neubestimmung einer realen Menschen-Weltordnung – als der Schöpfung adäquater Teil einer universellen Ordnung.
© J Michael Heynen, Gründungspräsident ‚Senate of Cultures‘ | Baden-Baden, 9. Juni 2025
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