Dienstag, 29. August 2023

EQUILIBRIERUNG: ZENTRALE MODALITÄT KONKORDANTER KRISENLÖSUNG UND TRANSFORMATION

 



Quantensprung in eine humane Zukunft: Rückverbindung mit

der Noosphäre und Eintritt ins Noozän



Konzeptionelle Reflexion von J Michael Heynen





I Anthropozän – Krise als Transition ins Noozän


Die Gegenwart, Basis der Zukunft des Menschen, wird als Anthropozän der Menschheitsentwicklung eingeordnet: Der Mensch beherrscht zu weiten Teilen die Geo- und Biosphäre des Planeten Erde. Diese Art raum-zeitlicher Einordnung offenbart dennoch zugleich die damit einhergehende strukturelle Krise bzw. Metakrise: Eine Lebensführung aus freiem Willen und Bewusstsein des individuellen Selbst ist der fast ausschließlich technisch-materiellen Beherrschung und nihilistischen Überdehnung der Lebenssphäre als solcher gewichen. Diese zudem maximal ego-referenzierte, reine Systemimmanenz blockiert die Öffnung des Menschen zu einer human-kreativen Zukunftsentwicklung und verursacht eine Krisenkonstellation von historisch einmaligem, damit zugleich zivilisatorischem Ausmaß. Die zentrale Ursache: die Entkopplung der sich entleerenden Lebenssphäre von der Noosphäre als Sinn und Legitimation stiftender (Meta-) Ebene. Umso mehr stellt sich daher die Frage: Wird das Anthropozän zum konstruktiven wie dringenden „gate-crasher“ weiterer menschheitlicher Evolution, dem Übergang ins Noozän?



II Die Noosphäre – zentrale Sphäre des Neubeginns


Die Noosphäre wird definiert und beschrieben als eine durch des Menschen geistige Leistung, sein Bewusstsein und seine Vernunft geprägte Sphäre. In diesem Interaktionsraum des Geistes reflektiert sich die Weltseele – individuell wie gesellschaftlich integriert. In dieser wird vor allem, nachdem die Beherrschung von Bio-/Geosphäre signifikant nachgelassen und die Menschentwicklung retardiert, ein neuer Entwicklungsschritt der Menschheit, die „Geburtsstunde“ einer neuen Art von Leben verortet: Durch die Vergeistigung der Materie wird die Biosphäre aus der Verbindung mit der Sphäre des Geistigen und der Vernunft umgeformt, geprägt und evolutionär gewandelt: das Noozän – Lebensbeherrschung aus der Metaphysik!



III Equilibrierung – Wendezeit statt Endzeit


Die Entfaltung des Menschen im Anthropozän offenbart also die damit einhergehende strukturelle Krise als Begrenzung ihrer zivilisatorischen Weiterentwicklung, soweit und da die Bio-/Geosphäre ausschließlich aus sich selbst beherrscht wird. Diese krisengeprägte Zeitenwende wird zur Endzeit, wenn sie nicht konsequent als Wendezeit begriffen wird. Denn nur die ko-kreative, evolutionäre freie Kapazität des Menschen wird ihn in seine selbst determinierte Zukunft führen. Diese Führung erfordert, seine Sinn geleitete Handlungsenergie aus der Noosphäre zu deduzieren und damit zu begründen: Legitimation und Ziel des Menschen zukunftsfähiger, adäquater Interaktion stiftet ausschließlich die noosphärische Konnektivität insbesondere zuerst als Leitlinie des Wandlungsprozesses hin zu einer vollen und eigentlichen Beherrschung der Biosphäre.


Die weiterführende Entwicklungsleistung des Menschen liegt also in der komplementären (Rück-) Verbindung der Sphären und ihrer gegenseitig aktiven Verschränkung: in der Equilibrierung als dynamischem Prozess der Vergeistigung des Materiellen sowie in der Materialisierung des Geistes, um also vor allem Geistiges zu verlebendigen. Dieses so begriffene Equilibrium gewährleistet eine stetig balancierende Metamorphose, Leben neu zu begründen und zu formen; der anstehende Wandlungsprozess ist so Krisenlösung und Zukunftsentfaltung zugleich.



IV Freies Individuum und Konkordanz


Das Sein – existentieller Bestand wie Qualität – wird aus Bewusstsein geschöpft und gestaltet, die konditionierte Existenz aus Geist determiniert. Transformation und Fazilitation dieser Entfaltung sind notwendige Basis vernunftgeleiteter Wandlungsprozesse aus dem individuellen Selbst. Denn nur das Individuum – emanzipierend und transpersonalisierend – ist dazu prädestiniert, die „ewige Macht Selbst“ (Kierkegaard) zu aktivieren und aus der Rückverbindung mit der Noosphäre die Lebenssphäre innovativ-kreativ zu steuern sowie selektiv zu spezifizieren. Das reflektierende Bewusstsein, also individuell erzeugt, ist kontinuierlicher Träger schöpferischer Sinnstiftung und Willensbildung sowie gesellschaftlicher Weiterentwicklung aus einer zuerst noosphärisch gekoppelten Existenz.


Von innen nach außen, von oben nach unten erfährt sich der einzelne Mensch auf diese Weise als ko-kreativer Teil kosmischer Intelligenz und Energie, zugleich autonomer, intelligibler Resonator des Schöpfungsprozesses. Denn der Ursprung des Universums ist nicht Materie, sondern Geist (Bergson / de Chardin). In dieser grundsätzlichen Synchronizität und Kongruenz mit dem All-Einen werden kosmische Denkgesetzlichkeit und Vernunft zur vertikal abgeleiteten, in der Reflexion des menschlichen Bewusstseins gefassten treibenden Kraft, Geist zu materialisieren, Leben zu vergeistigen. Diese Equilibrierung ordnet die Bedingungen der Existenz aus der metaphysischen Normativität des Geistes; das Selbst als Mitte des Menschen entfaltet die korrespondierende, adäquat resonante Intelligenz und Instanz universeller Gesetzlichkeit und Schöpfungsprozesse. So harmonisiert das dynamisierende Equilibrium Gegensätze, transformiert Krisen und Konflikte und forciert sinn- wie friedensstiftende Prozesse als zentripedale Potentiale progressiver menschlicher Höherentwicklung: in kosmisch-gesetzlicher Kongruenz und in individueller wie gesellschaftlicher Konkordanz.



V Transpersonale Aristokratie: Exzellenz aus prinzipalischer Elitenführung


Einführung und Maßgabe eines vertikal geführten Equilibriums bietet Verfahren klärender Erkenntnis, die strukturellen Gründe und Lösungsansätze der Krise als notwendige Phase des Drchgangs zur Erneuerung zivilisatorischer Lebensbewältigung sowie ihrer zukunftsfähigen Gestaltung. Die individuell erzeugte Umsetzung von Methode und Ausrichtung der Equilibrierung wird zu Beginn der Transition noch stark abhängen von robust agierenden, prinzipalischen Führungseliten, die erforderlichen Wandlungsprozesse initiativ und inspirativ zu evozieren sowie zu koordinieren und zu fazilitieren.


Je nach individueller Freiheitsfähigkeit aus dem Selbst werden synergetische wie adäquate Kapazitäten zur Verfügung stehen, gesellschaftliche Entwicklungen koordinativ synergetisch zusammen zu führen. Zentrale Funktionen dabei nehmen Kunst und Kultur sowie davon geprägte kluge Staatsführung ein, um gesellschaftliche Herausforderungen mit zivilisatorischer Notwendigkeit zu korrelieren und dynamisch weiter zu entwickeln. Sinn und Legitimation der Freiheits- und Ordnungsstiftung werden also aus der Noosphäre gewonnen und in dialogischen Verfahren der Equilibrierung verstetigt und umgesetzt. Die auf kritischer Reflexion und Vernunft basierenden dematerialisierten, kreativen Willlensbildungs- und Interaktionsprozesse werden in zwischen- / gesellschaftlichen Syndikationsprozessen nach Maßgabe transpersonaler Exzellenz auf die Expansion jeweiliger qualitativer Freiheitsräume konzentriert.


Dies gilt insbesondere auch für die notwendigen Determinanten adäquat qualifizierter Führungseliten zur Bewältigung und Lösung der Transition als Öffnung und Verstetigung der Transformation. Dabei sind insbesondere auch – analog zum Dirigenten eines Orchesters - monarchische Führungsprinzipien zu berücksichtigen, freilich nicht restaurativ und jenseits historischer Degeneration aus Feudalismus und „von Gottes Gnaden“, im Gegenteil: Die krisenlösende wie zukunftsfähige Erneuerung der zivilisatorischen Lebenssphäre, eben noosphärisch deduziert, basiert zwar auf der Historizität politischen Bewusstseins und entsprechender Erkenntnisprozesse, verfolgt aber mit höchster Priorität menschengerechte Wege und Ziele gesellschaftlicher Entwicklung. Dabei gilt: Nicht materiell-physische Bedingungen und/oder religiöse Projektionen, sondern immateriell-metaphysische Determinanten inspirieren und sichern die humane menschliche Evolution. Folglich ist das dafür hohe Potential einer geist- und vernunftgeführten, eben transpersonalen Aristokratie (die Herrschaft der Besten) einzustellen, um die notwendige Verantwortung und Qualitätssicherung gesellschaftlicher Repräsentanz und Mensch zentrierter Governance (Koordinations- und Moderationsleistungen der Willensbildung, Facilitierung von Entscheidungsverfahren) kontinuierlich zu gewährleisten.


So begriffen, wird die aktuelle Krisenentwicklung zur Lösung ihrer Beherrschung öffnen und den archimedischen Punkt einer Art kopernikanischer Wende freilegen: Die Humanität aus individuellem Bewusstsein und Zivilität gesellschaftlicher Leitkulturen prägen die zwischenmenschliche wie zwischengesellschaftliche Interaktion und prozesshafte Verschränkung. Analog zu einem Regelkreis veredeln die Prozesse des Equilibriums Klärung, Lösung und qualitatives Wachstum der Menschheitsentwicklung. Basierend auf Bewusstheit und Selbstehrlichkeit des Individuums sowie angemessener Transparenz (inter-) systemischer Funktionen wird das Anthropozän als Türöffner menschlich zivilisatorischer Stiftung humaner Zukunft begriffen und genutzt. Führung aus Geist und Vernunft geleiteter Denkgesetzlichkeit ersetzt überkommene wie vollkommen überforderte, personalisierte Repräsentanzsysteme gesellschaftlichen Regierens. Die letzten anthropozänischen Entwicklungen legen die Risiken historischer Kontinuität, zugleich die Chancen kreativ humanen Fortschritts und die Potentiale exzellenter Entwicklung offen. Die Krise im Übergang ist notwendige Folge, zugleich Voraussetzung einer individuellen wie systemischen Metamorphose mit dem konkreten Ziel einer noumenalen Weltordnung als prioritärem Schritt in eine endlich beginnende, zukunftsfähige Gegenwart einer humanen Zivilisation, das Noozän: Beherrschung des Lebens aus Geist!



© J Michael Heynen | Nomoi Institute

Mesnil d’O | Baden-Baden 07-08|2023

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